Feuerwehrchronik 1871 - 2000


 

Die nachstehende auszugsweise Darstellung der Entwicklung der Freiwilligen Feuerwehr Pratau entstammt der Chronik, die anlässlich des 130-jährigen Jubiläums vom Kameraden Heinz Pietzner gefertigt wurde.


Das Feuerlöschwesen in Pratau von 1871-1922


Aus dem Feuerreglement für den Wittenberger Kreis vom 12.März 1842 geht hervor, dass noch nicht alle Orte des Kreises mit Feuerspritzen versehen waren. Es ergab sich bisher auch noch kein Anhaltspunkt, wann unser Ort mit einer Spritze beliefert wurde. Unsere erste Handdruckspritze ist ein Modell, welches kurz nach Beendigung des Krieges 1870 beschafft worden sein soll.

Somit ist zumindest anzunehmen, dass unsere Feuerwehr ab 1871 in Pratau arbeitsfähig war, bis 1922 sogar als Pflichtfeuerwehr.  Die Mitglieder wurden vom Gemiendevorsteher benannt, in der Regel waren es kleine Handwerker und Häussler, die meistens mehrere Jahre hintereinander den Dienst versehen mussten. Als Ausrüstung waren 4 Lederhelme und 3 Beile mit Tuchgurten vorhanden. Die Feuerwehrtechnik bestand aus einer Handdruckspritze, zwei Anstellleitern, zwei Hakenleitern, drei Einreißhaken und drei Druckschläuche mit 44 mm Durchmesser. Die Verbindung wurde mittels Schraubkupplung hergestellt.


Die Spritze, Schläuche und Hakenleitern waren im Spritzenhaus untergebracht, das sich einst in der heutigen Thomas-Müntzer-Str. gegenüber vom Adler befand und eine Größe von ca. 2,50 m x 3,50 m hatte. Im danebenstehenden Leiternhaus lagerten die übrigen Leitern und Einreißhaken.


In der Gemeindevertretersitzung vom 28.05.1896 wird der Einsatz der Gemeindevertreter bei einem Feuer geregelt. Nach dem großen Brand in der Schulstraße 1898 bewilligt die Gemeindevertretung in einer Sitzung eine jährliche Zuwendung in Höhe von 15 Mark an die Löschmannschaften. Die damaligen Einsatzkräfte trugen ihre eigene Arbeitskleidung und waren nur anhand einer roten Armbinde am linken Arm zu erkennen.


Im Jahr 1920 befasste man sich erstmalig mit dem Abriss des einsturzgefährdeten Leiternhauses. Nach einem Brand in der Milka (heute Unilever) überweist der Betrieb für geleistete Hilfe 1000 Mark zur Förderung des Löschwesens an die Gemeinde Pratau. Davon stellte die Gemeindevertretung 850 Mark als Grundstock zur Bildung einer Freiwilligen Feuerwehr zur Verfügung. Am 06.12.1921 wird auch über die Anschaffung neuer Feuerwehrausrüstung beratschlagt.


Am 17.01.1922 erfolgte die Gründung der Freiwilligen Feuerwehr Pratau. 18 Männer wurden vom damaligen Branddirektor der Provinz Sachsen, Kramayer in ihre Aufgaben eingeführt. Die Ausrüstung wurden auf Gemeindekosten beschafft und beliefen sich auf 10.184,50 Mark.



Das Feuerlöschwesen in Pratau von 1922 – 1950

Am 05.08.1924 wurde von der Gemeindevertretung der Bau eines neuen Spritzenhauses, gegenüber der Försterei am Damm gelegen, beschlossen.Die Übergabe erfolge am 30.01.1925 durch die Gemeinde.Der erste größere Ernstfall für die Feuerwehr ereignete sich im Dezember 1926 in Eutzsch, wo sich die Pratauer bei grimmiger Kälte mit ihrer Spritze als Zubringer einschalten mussten.


Im Laufe der Jahre fanden immer mehr Männer Aufnahme in die Feuerwehr, so dass bis zum Jahre 1933 die Zahl der Mitglieder auf 29 anstieg. Durch die nationalsozialistische Regierung erschien bald ein neues Gesetz, das den Aufbau der Feuerwehr bestimmte. Die in Pratau präsenten Feuerwehren, also Gemeindefeuerwehr und Betriebsfeuerwehr der Milka, mussten demnach in Löschzügen gegliedert werden und eine einheitliche Leitung haben. Die Werksfeuerwehr der Milka, mit Motorspritze und Spezialgeräten ausgerüstet, beanspruchte daraufhin die Leitung beider Löschzüge für sich. Dafür erhielt der Leiter die Möglichkeit an der Feuerwehrschule Beeskow die Brandmeisterprüfung abzulegen. Die unterschiedlichen Bedingungen und Ausbildungsstände in beiden Löschzügen brachten aber eine Reihe von Schwierigkeiten, die nur mit sehr viel Mühe überwunden werden konnten.

Schließlich kam von der Fabrikleitung der Milka die Anweisung sich bei der Beschaffung einer Motorspritze für den Ort mit 1000 Mark zu beteiligen. So wurde im Mai 1935 das neue Einsatzgerät bei der Firma Flader Jöhstadt bestellt, die im Juni auch geliefert wurde. Die Spritze hatte eine Leistung von 400 l/min.

 

 


Ein neues Problem tauchte nun auf, da die Männer die Motorspritze mit den Schläuchen durch eigene Kraft zum Brandort ziehen mussten. Es fehlte also eine Zugmaschine für das schwere Gerät. Diese wurde in Form eines gebrauchten Mercedes gefunden, der in Kemberg zur Verfügung stand und nach einigem Verhandeln für 200 Mark nach Pratau kam. Nun ergab sich natürlich die Frage der Unterstellung. Vom Bürgermeister kam daraufhin der Vorschlag auf dem ausgebaggerten Boden des Karpfenteiches ein neues Gerätehaus zu errichten. Am 27. Juni 1937 konnte das fertige Gebäude anlässlich eines Feuerwehrverbandstages in Anwesenheit von 1100 Kameraden des Kreises Wittenberg seiner Bestimmung übergeben werden.


Durch mehrere verheerende Brände wurde auch die Aufmerksamkeit und das Verständnis für die Feuerwehr besser. Es kam nun der Gedanke für einen Mannschaftswagen auf, der schließlich 1939 wieder bei der Firma Flader Jöhstadt bestellt wurde. Das neue Fahrzeug war ein LF15 mit Vorbaupumpe1500l/min, Mannschaftsraum, Gerätekasten, verschließbare TS 8, fahrbarer Schlauchhaspel, mechanische Schiebeleiter und weitere Ausrüstung, also ein insgesamt modernes Fahrzeug.

Nach dem Ausbruch des 2. Weltkrieges änderte sich das gesamte Brandschutzwesen. Durch den Wehrdiensteinzug vieler Kameraden mussten die Aufgaben von den Älteren und von Jugendlichen übernommen werden, weshalb 1943 eine Hitlerjugendfeuerwehr gegründet wurde.


Während des Zusammenbruches des NS-Regimes und Ende des Krieges wurde das Löschfahrzeug von den Kameraden nach Gräfenhainichen gebracht und dort versteckt. Auch Fässer mit Benzin wurden eingegraben und standen später für den Einsatz zur Verfügung, wovon selbst die Berufsfeuerwehr Wittenberg profitieren konnte. So begann wieder ein Neuaufbau der Feuerwehr unter der Leitung von Franz Bergmann.

 

Die noch vorhandenen und aus dem Krieg zurückgekehrten Kameraden begannen nun den Aufbau der Freiwilligen Feuerwehr Pratau. In den Jahren 1949 bis 1951 wurde auch eine Jugendgruppe aufgebaut, so dass schließlich wieder eine arbeitsfähige Wehr entstand.

 

Das Feuerlöschwesen in Pratau von 1950 – 1990

Um so enttäuschender war es, als 1951 das Löschfahrzeug nach Herzberg abgegeben werden musste und für Pratau nur ein TS-Anhänger blieb. Bei Einsätzen musste auf ein Zugfahrzeug von der Milka gewartet werden. Auch die Landwirtschaft wurde verpflichtet Traktoren zum Vorspann zur Verfügung zu stellen, was aber alles nicht so klappte wie es gedacht war.

Nach mehreren schweren Jahren und Führungswechseln 1952 und 1959 übernahm am 01.05.1959 Kamerad Heinz Pietzner die Leitung der Feuerwehr Pratau. Zu dieser Zeit gab es auch einen Abschnittsleiter, dem die Wehren Pratau, Seegehna, Eutzsch, Rackith, und Dabrun unterstellt waren. Durch den Rat des Kreises wurden Bestenermittlungen durchgeführt, wobei Pratau stets gute Plätze belegen konnte.

Am 08.11.1963 kam ein umgebautes Löschfahrzeug von Feuerwehr Kemberg nach Pratau, so dass es nun wieder bergauf ging. Am 01.05.1964 wurde auch eine Frauenlöschgruppe gegründet, die für den vorbeugenden Brandschutz ausgebildet wurde. Gleichzeitig kam auch die Jugend wieder zur Feuerwehr, es wurde die AG „Junge Brandschutzhelfer“ ins Leben gerufen.

Im Jahre 1967 bekam unsere Wehr ein neues Löschfahrzeug, ein LF8 – STA. Es handelte sich dabei um einen Robur LO 1800, der zu dieser Zeit in der DDR weit verbreitet war. Natürlich gab es damit neue Probleme, denn die Garagentore waren zu klein und aufgrund der zu geringen Höhe musste der Fußboden aufgestemmt und tiefer gelegt werden.


Um eine bessere Ausbildung zu erreichen, wurden vom Minister des Innern Leistungsstufen für die Freiwilligen Feuerwehren festgelegt. Am 18.07.1969 legte die Feuerwehr Pratau zum ersten Mal die Stufe 2 ab. 1970 wurde dann auch die Stufe 1 bewältigt und in den Folgejahren weiter verteidigt. Das Symbol der Stufe 1 durfte am Fahrzeug angebracht werden und zeigte damit die Leistungsfähigkeit einer Feuerwehr öffentlich.

Um die Unfallgefahr durch die zu kleinen Tore zu beseitigen, wurde an der Nordseite des Gerätehauses der Anbau einer größeren Garage begonnen. Am 07.10.1974 wurde diese durch den Bürgermeister seiner Bestimmung übergeben und somit wurde wieder einmal die Ansicht des Gerätehauses verändert.


Die Anforderungen an die Kameradinnen und Kameraden in Sachen Ausbildung wurden in der Folgezeit immer größer und in dem kleinen Schulungsraum , der zur Verfügung stand, konnte eine vernünftige Ausbildung nicht mehr durchgeführt werden. So musste einmal mehr umgebaut werden, was in den Wintermonaten 1979/80 geschah. Dabei wurde die obere Etage des Gebäudes vollständig verändert. Es entstand ein großer Schulungsraum, ein Kommandozimmer, neue Sanitäranlagen und eine kleine Küche. Am 01.05.1980 wurde der Umbau eingeweiht.


So wie überall in der ehemaligen DDR wurden die Feuerwehren über politische Zielsetzungen zu höheren Leistungen angespornt, so auch über die Verleihung des Titels „Vorbildliche Freiwillige Feuerwehr“, der den Pratauer Kameraden am 07.10.1985 vom Chef der Abteilung Feuerwehr der BDVP Halle, Oberstleutnant Rudzok ausgesprochen wurde.


1986 erfolgte wieder ein Wechsel in der Leitung der Feuerwehr, da durch die Doppelfunktion als Wirkungsbereichsleiter und Wehrleiter die Belastungen für eine Person zu groß wurden. Somit übernahm Karl-Heinz Pietzner die Leitung der Wehr, die er bis heute auch noch inne hat.

Nach der politischen Wende und dem Zusammenfall der DDR standen die Kameraden plötzlich vor neuen Aufgaben. Sie mussten sich natürlich erst einmal an die neuen Vorschriften gewöhnen und sich dem Neuen stellen. Aber der tiefere Sinn im Wirken bei der Feuerwehr unabhängig jeder Gesellschaftsordnung und politischer Führung half auch hier den Weg zu finden. Dabei kam vor allem Hilfe von den Kameraden aus der Samtgemeinde Thedinghausen (Niedersachsen/Landkreis Verden) im Rahmen der neuen partnerschaftlichen Beziehungen zwischen den Gemeinden Pratau und Thedinghausen.



Das Feuerlöschwesen in Pratau von 1990 – 2000


In den folgenden Jahren mussten sowohl die personellen als auch die technischen Bedingungen auf die neuen Einsatzvarianten umgestellt werden. Die bisher vorhandene DDR-Technik war zwar für die Brandbekämpfung nach wie vor brauchbar, aber in Sachen Technische Hilfeleistung bestand großer Nachholbedarf.


Der Umfang an neuen Einsatzarten nahm eine völlig neue Dimension bei den Freiwilligen Feuerwehren an. Vor allem die rasante Entwicklung des Straßenverkehrs erforderte die Anschaffung spezieller Rettungsgeräte und eine darauf gerichtete Ausbildung. Die Einsatzzahlen zeigten deutlich diesen Trend.


Die erste große Feierlichkeit war die 120-Jahr-Feier der FF Pratau im Jahre 1991, die mit Hilfe der Kameraden aus Thedinghausen vorbereitet wurde. Die Feuerwehr gewann an Selbstständigkeit und Vertrauen in der Bevölkerung, was das Interesse an den Aktivitäten der Feuerwehr deutlich machte.

Natürlich waren durch die Stationierung der erweiterten Technik auch wieder Bauarbeiten fällig. Zwei neue Garagen wurden an das Grätehaus angebaut, die am Reformationstag 1992 übernommen wurden. Gleichzeitig wurde die alte W 50 Drehleiter DL 30 der Berufsfeuerwehr Wittenberg an uns übergeben.

Und noch einmal rückte die Pratauer Feuerwehr 1992 ins Licht der Öffentlichkeit, da zum Jahresende sowohl ein generalüberholtes W 50 TLF 16, das bisher im Betrieb „Gummiwerk Elbe“ stationiert war, und ein W 50 LF 16 in den Besitz unserer Wehr überging. Mit diesem neuen Fuhrpark war es der Feuerwehr Pratau nun möglich auch die schwierigsten Einsätze gut zu bewältigen und den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Auch der erste
Sirenen-Funksteuerungsempfänger im Landkreis Wittenberg wurde in Pratau in Betrieb genommen.

In der Folgezeit gab es in der Struktur der FF Pratau entscheidende Veränderungen. Nach reichlicher Überlegung wurde am 04.07.1993 auf einer Dienstversammlung der Verein „Freiwillige Feuerwehr Pratau 1936 e.V.“ wieder gegründet und am 19.10.1993 beim Amtsgericht Wittenberg unter der Nummer VR 290/93 eingetragen. Damit wurde eine alte Tradition wieder aufgenommen, die ein umfassendes Vereinsleben aller Feuerwehrinteressierten ermöglicht. Wesentliche Unterstützung erhielten wir dazu vom Wehrführer der Stadt Hadamer und vom Kreisfeuerwehrverband Wittenberg e.V., deren Mitglied wir seit dessen Gründung im Jahr 1990 ebenfalls sind.

Die nächsten Jahre wurden durch den weiteren Ausbau der Technik, neuer Strukturen für die Feuerwehr im Stadtgebiet und dem Vereinsaufbau geprägt. Die Stellung der Feuerwehr Pratau setzte die Mitarbeit bei der Weiterentwicklung der Konzeption der Feuerwehr in der Statt Wittenberg voraus, was nicht immer leicht war, da entwicklungsbedingt z.T. gegenläufige Ansichten unter einen Hut gebracht werden mussten.

Der Einbau von Rolltoren 1995 und die Rekonstruktion des Schlauchturms 1998 veränderten wieder einmal das Aussehen des Gerätehauses. Letztere Maßnahme gelang erst nach langen und zähen Verhandlungen mit der Stadtverwaltung, da es Probleme mit der Finanzierung gab und der Wert bezüglich der baulichen Ansicht in der Gemeinde nicht von allen gleichermaßen gesehen wurde.